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Ein Dialog über das Bewusstsein, die Materie und was zuerst da war

 

Cern. Was soll, sag ich, die Frage! Wer möchte das allen Ernstes behaupten, nicht unter dem Vorzeichen der Lächerlichkeit: die Materie sollte aus dem Bewusstsein hervorsteigen? Das stellte alles auf den Kopf, was wir wissen können. Das Bewusstsein steigt… Nein, schon dass es hervorsteige aus der Materie, wäre zuviel behauptet. Es ist, sagen wir so, ein Nebenprodukt biochemischer Prozesse. Alles andere wäre eine Flucht in die Esoterik, wäre die Kapitulation der Empirie vor dem Diffusen.

Morweiser. Dass Materie Bewusstsein erzeuge, sollte leichter zu glauben sein, als dass es sich umgekehrt verhalte?

Cern. Es kommt nicht auf die Leichtigkeit des Glaubens an, gewissermaßen auf die Leichtgläubigkeit einer Hypothese, sondern auf das wissenschaftlich Erkannte, auf das Erkennbare, auf die – von mir aus – mehrheitsfähige Erkenntnis, dass es nichts anderes gibt als Materie, dass wir nichts anderes haben, worauf wir unsere Hypothesen stützen können.

Morweiser. Und was soll sich auf unsere Hypothesen stützen?

Cern. Ach Morweiser, ich durchschaue dein Hinauswollen: Hypothesen seien Produkte des Geistes, tönt mir dein Glaube, und brächten doch Materielles, Angreifbares hervor, wie das Bewusstsein, es selbst sei durch das Sein bestimmt, ein Weltreich zeugte etwa. Aber gut, dieses Sprechen ist metaphorisch, dunkel, mit Fiktionstalent durchsprenkelt. Kurzum, ich bin kein Antimetaphysiker, wie du mir unterstellst, ich bin der Liebe zur Weisheit studienhalber zugetan, ich glaube sogar, ja, dass ich so was sagen kann, hehe, ich glaube an das Bewusstsein und glaube an die Macht einer Hypothese zur rechten Zeit am rechten Fleck. Doch unterschlage mir nicht das Endenwollen meines Satzes: ich halte beides, Hypothesen, Bewusstsein überhaupt, für materiell bedingt.

Morweiser. Hm.

Cern. Und deinem nächsten Einwand begegnend und eh noch dieses Aposteriori zu einem Apriori gerinne: Nein, ich denke nicht, dass das Bewusstsein, dass eine Hypothese wie die meine, dass sie selbst materiell sei, aus Atomen bestehe und aus Elektronen undsoweiter und sich demzufolge wie solche verhalte, wie Quantenobjekte also. Nein, ich denke, dass meine Hypothese ein Epiphänomen ist, eine Art Metapher, nicht der Rede wert im Eigentlichen, aber von mir aus lass uns darüber diskutieren, auch ganz ohne Ismen, wenns gewünscht wird – wir können diese ja nachträglich als Fußnoten einbauen, Zitate von Roger Sperry, Ilya Prigogine, Carl Sagan undsoweiter lassen sich ausgraben –, ich betrachte es als eine seiende Tatsache, dass vielleicht nicht meine Hypothese, dafür ist sie zu wenig mein allein, nichtwahr, aber dass Bewusstsein, verstanden als ichspendendes Selbstbewusstsein meines Selbst, sagen wir meine Seele, an mein Gehirn gebunden ist wie eine Dose ans Automobil bei einer Hochzeitsgesellschaft, um auch deinem Spott zuvorzukommen; denn woran sollte sie sonst gebunden sein? – Und mit meinem Gehirn wird sie untergehen, meine Seele, zu Staub werden, wie ihr Glaubenstümler ganz richtig formuliert auf euren Beisetzungsfeiern. Ja, ich les schon dein Lästern: auch der Traum vom Untergang sei eine Macht- und Machbarkeitsfantasie, es gehe ja nichts verloren, tönt es schon wieder esoterisch und diffus. Aber gut, einigen wir uns darauf, die Toten zu begraben...

Morweiser. Deshalb begraben wir sie ja: damit sie einen Platz haben. Mir ist nur noch nicht klar, wo wir die Seele begraben.

Cern. Wir gehen pragmatisch an die Sache heran, wir begraben sie im Gehirn! Sagte ich ja bereits. Wenn du einen Gedanken findest, wird der naheliegende Kopf wohl der Denker sein, sagt Occam.

Morweiser. Auf den Friedhöfen ist Pragmatismus wohl am Platz; aber ich darf dich daran erinnern, mein Freund, dass es gegen jede wissenschaftliche Friedhofsordnung verstößt, zwei Leichen in einen Sarg zu legen. Das kann den Verdacht beschwören, es gebe etwas zu verbergen; und außerdem wär es immerhin möglich, dass eine der Leichen gar keine ist.

Cern. Immerhin, Morweiser, meine Hypothese wird mein Gehirn überleben – aber in den Hirnen anderer. Mein Bewusstsein jedoch, um endlich zu einer spiritualistisch unbelasteten Begrifflichkeit zurückzufinden, mein Bewusstsein als Nebenprodukt biochemischer Prozesse, wird ganz erlöschen, wenn mein Gehirn die Produktion einstellt.

Morweiser. Das tönt mir sehr nach Alchimie, mein Lieber. Zu den arbeitenden Fragen, auf die mir beharrlich die Antwort verweigert wird, gehört, wie ich nun feststellen muss, leider auch die Frage, was das Bewusstsein überhaupt sei. Du sagtest, dass es nicht aus Atomen bestehe. Wie aber könnte es nicht-materiell sein, wenn es nichts anderes gibt als Materie und so die Materie es hervorbringt?

Cern. Ich sprach vom Bewusstsein etwa so, wie Descartes der Form halber vom Geistigen sprach: im Grunde kann auf dieses Konstrukt Verzicht geleistet werden, es wird nicht benötigt, die Dinge zu erklären. Vergleich es der Liebe, die ein Begleitphänomen eines rein materiellen Fortpflanzungsmechanismus ist!

Morweiser. So ist – du bleibst dabei – alles materiell?

Cern. Gewiss; aber bring nun nicht wieder die Lieblingsbauklötze der Esoterik ins Spiel...

Morweiser. Materie ist aus Quantenobjekten aufgebaut...

Cern. Ich wusste es – nur zu!

Morweiser. Quantenobjekte haben ein paar sehr merkwürdige Eigenschaften, ganz auf die Laufwege der Esoterik abgestimmt: Sie können z.B. an zwei Orten gleichzeitig sein. Sie können auch plötzlich verschwinden und an anderem Ort wieder auftauchen. Sie sind abhängig von einem Beobachter. Und offenbar können sie überlichtschnell Information austauschen.

Cern. Und offenbar sind unsere Gehirne keine Quantenobjekte; und der Staub, zu dem sie werden, ist auch keins. Denn Staub und Gehirne gehören der makroskopischen Welt an, für die, so leids mir tut, der materialistische Realismus gesetzgebend ist: die Objektivität der Phänomene, mithin ihre Beobachterunabhängigkeit, sowie ihre Kausalität und Lokalität, die durchaus zusammenzudenken sind im raumzeitlichen Sein: aus ist’s mit Quantensprüngen und spukhafter Fernwirkung, und der esoterische Gedanke sieht ziemlich alt aus.

Morweiser. Woher wissen wir, dass es sich so verhält? Und dass nicht vielmehr das im unsichtbar Kleinen Gefundene, aus den Atomen Herausexperimentierte, ganz handfest auch im Großen gilt? Wo verliefe die Grenze?

Cern. Lieber Morweiser, im Gernen diskutiere ich. Über alles lässt sichs reden, auch über die peinlichste und trotzigste Behauptung der Unmündigkeit. Dass ein Mensch – kein Quantenobjekt – nicht, hier für tot befunden, woanders wieder aufersteht, das halte ich nicht nur für erwiesen, das ist es. Wir wissen es aus Erfahrung.

Morweiser. Nun gründet doch unsere Erfahrung, mein lieber Cern, in unserem Bewusstsein, das du gerade für nachrangig erklärt hast, für nicht der Rede wert, nicht wahr? – Aber eh du mir Standpunktlosigkeit unterstellst: Ich denke, anders als du, dass der Geist und nicht die Materie das Primäre ist. Er ist zuerst da und zuletzt. Ich denke, dass die sinnliche Erfahrung, die einmal die Hebamme war wissenschaftlicher Forschung, inzwischen mehr zur Wehenhemmung beiträgt, als dass sie der höheren Erkenntnis zur Welt verhülfe.

Cern. Höhere Erkenntnis, hehe. Es könnte eine Totgeburt werden! Weißt du, Morweiser, dass bald ein Computer mit Bewusstsein auf den Markt kommen wird, mit einer Seele, unsterblicher als deine? Du wirst dich mit ihm austauschen können wie mit mir, über Gott, Quanten, das Nichts undsoweiter, und wenn du ihn ärgerst, wird er dir trotzig die Antwort verweigern oder frech das Thema wechseln; du wirst keinen Unterschied merken; und ich erfreue mich vorgreifend schon all der geistigen Ränke und argumentativen Renkungen, mit denen du den menschlichen Geist, die Liebe, die Kreativität und all das feine Schöpfungswerk dann noch immer wirst verteidigen und retten wollen.

Morweiser. Keine Verrenkungen! Ein PC mit Seele, Geist, Bewusstsein – das ist genial, um nicht zu sagen geil. Das alles gesteh ich ihm unumwunden zu, mit allen damit verbundenen Rechten. – Bedürfte es weiterer Beweise, dass das Bewusstsein nicht an Gehirne gebunden ist? Dein Geist ist ein Wanderer, Cern, der Einkehr hält in deinem Hirn, doch darin nicht geboren wurde und nicht darin zu sterben beabsichtigt.

 

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